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Struktur lenkt
Motivation und Handeln

Vor allem dann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie man gerne möchte, kommt zu Recht die Frage auf, wer oder was das Geschehen steuert. Konkrete Beobachtungen zeigen, dass in diesen Fällen Verschlechterungen der Umstände, ständig neu auftretende  Probleme oder persönliche Gewohnheiten das Geschehen bestimmen. Es geht aber auch anders. Es ist möglich, stabile Strukturen für anhaltende Motivation und zielorientiertes Handeln zu schaffen. Die Grundlage für die Schaffung solcher stabiler Strukturen ist immer dieselbe.

Wer oder was steuert hier?

Wenn der Arbeitstag immer häufiger mit dem Fazit endet, viel zu wenig von dem geschafft zu haben, was man sich vorgenommen hatte, dann ist das ein sicheres Anzeichen dafür, dass man dabei ist, das Steuer im eigenen Verantwortungsbereich aus der Hand zu geben. Da diesem Zustand eine Entwicklung über einen längeren Zeitraum vorausgeht, sind die Gründe oft unklar, wie man in diese frustrierende Lage geraten ist. Für die meisten liegen die Gründe bei den anderen oder in dem System, für das sie arbeiten. Man sei zu sehr fremdgesteuert, lautet z.B. eine Diagnose, die sich viele selbst als Entschuldigung geben und damit dem Zweifel an ihren persönlichen Zielen und an sich selbst Tür und Tor öffnen. Selbstoptimierung, Jobwechsel oder andere Fluchtstrategien helfen hier nur vorübergehend, da es nur Versuche sind, die Fahrtrichtung zu ändern, ohne das Steuer wieder in die Hand zu nehmen. Eine dauerhafte Veränderung gelingt nur, wenn man die Struktur ändert, die dem eigenen Handeln Richtung und Motivation gibt.

Die strukturelle Grundeinheit

Diese Struktur besteht aus zwei Grundelementen, die nur dann zu motiviertem Handeln führt, wenn man beide Elemente gleichzeitig im Fokus hat. Ein Element dieser Struktur ist das, was man erreichen möchte, z.B. ein Zielzustand oder ein Arbeitsergebnis. Das zweite ELement ist die aktuelle Ausgangssituation in Bezug zu diesem Zielzustand. Die strukturelle Einheit entsteht, wenn man beide Elemente gleichzeitig vor Augen hat, denn dadurch wird der Abstand zwischen dem Zielzustand und dem aktuellen Zustand erkennbar.
Dieser Abstand erzeugt eine mentale Spannung, die sich wie ein Gummiband zwischen den beiden Elementen spannt und dadurch eine gedankliche Suche danach in Gang setzt, wie man diesen Abstand möglichst schnell überwinden kann. Handwerker und Künstler sind es gewohnt, mit dieser strukturellen Grundeinheit zu arbeiten. Sie haben fast immer einen Plan oder ein Bild von dem, was sie gestalten wollen und sie haben gleichzeitig den aktuellen Stand ihrer Arbeit direkt vor Augen. Sie sind es gewohnt, diese Spannung so lange auszuhalten, bis der aktuelle Zustand dem Zielzustand entspricht. Im Management und viel mehr noch in der individuellen Lebensgestaltung hat man den Zielzustand und den aktuellen Zustand oft nicht so eindeutig und gleichzeitig vor Augen. In diesen Fällen ist es hilfreich, die Beschreibung beider Zustände auf einem Blatt Papier vor sich zu haben oder an beide Zustände gleichzeitig zu denken. Nur das Ziel ohne den Ausgangszustand vor dem geistigen Auge zu haben, erzeugt nicht den Gummibandeffekt, da das andere Ende des Gummibandes quasi in der Luft hängt. Dadurch entstehen keine mentale Spannung und keine anhaltende Motivation zur Erreichung des Ziels. Umgekehrt gilt das Gleiche, wenn man den aktuellen Zustand ohne eine Verbindung zu einem entsprechenden Ziel betrachtet. Hier hängt das Gummiband auf der Seite des Ziels in der Luft. Eine Fokussierung alleine auf die aktuellen Probleme reicht nicht, um eine strukturelle Grundeinheit zu bilden. Motivation und Handlungsenergie sinken hier, sobald das Problem anfängt nachzulassen. In einer strukturellen Grundeinheit aus Zielzustand und aktuellem Zustand entwickeln sich Motivation und Handlungsenergie genau umgekehrt. Hier steigen beide an, je mehr man sich dem Ziel nähert.

Strukturverstärker

Die Wirkung der strukturellen Grundeinheit auf die Motivation und das Handeln kann an drei Stellen verstärkt werden:
1. Durch Visualisierung: Im Hochleistungssport ist die Fähigkeit sich das, was man erreichen möchte, bildlich oder wie in einem Film vorzustellen, bereits seit Langem ein wichtiges Element auf dem Weg zu Spitzenleistungen. Dies ist ein klarer Beweis für den Nutzen der Fähigkeit, zu visualisieren, was man erreichen möchte. Je klarer und lebhafter wir uns einen Zielzustand vorstellen und gleichzeitig den aktuellen Zustand wahrnehmen können, umso stärker ist die Wirkung dieser strukturellen Grundeinheit. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass unser Verstand in diesem Fall über das Gewohnte hinausgeht und neue, innovative Vorgehensweisen für den Weg zum Ziel findet.
2. Durch präzisen Umgang mit der Realität: In der Schifffahrt aber auch beim Wandern in unübersichtlichen Gelände lernt man sehr schnell, dass man ohne eine eindeutige Bestimmung des Standortes den falschen Kurs/Weg wählt und das Ziel nicht erreicht. Genauso verhält es sich mit jedem anderen Ziel, das man erreichen möchte. Unehrlicher, manipulativer oder einfach nur ungenauer Umgang mit der Realität führt dazu, dass man ungeeignete Wege zum Ziel wählt. Einen präzisen Umgang mit der Realität erfordert in erster Linie Fakten. Annahmen zur Realität und Leugnung der Realität machen die strukturelle Grundeinheit unwirksam.
3. Durch übereinstimmende Brennweiten: Eine gleichartige Sichtweise auf Ziel- und Ausgangszustand ist ein weiteres wichtiges Kriterium für die optimale strukturelle Verbindung dieser beiden Elemente. Die Verbindung wird unwirksam, wenn z.B. der Zielzustand sehr abstrakt (hohe Brennweite) und gleichzeitig der Ausgangszustand sehr detailliert (niedrige Brennweite) beschrieben ist. Ein Beispiel hierfür ist der Fall, in dem der abstrakte Wunsch nach einem erfüllten Job in Verbindung mit vielen Detailproblemen im beruflichen Alltag beschrieben wird. In diesem Fall gibt es keine direkten Anknüpfungspunkte zwischen Ziel- und Ausgangszustand. In Folge dessen kann unser Verstand keine Verbindung in Form von Lösungswegen herstellen. Das heißt für eine optimale strukturelle Verbindung von Ziel- und Ausgangszustand sollten in den jeweiligen Zustandsbeschreibungen die Zusammenhänge zwischen den beschriebenen Ereignissen erkennbar sein.


Selbstwirksamkeit und Struktur

Wer das Steuer für seinen beruflichen und/oder seinen privaten Bereich in der Hand behalten will - auch wenn die Lage noch so schwierig erscheint - kann mit dem Aufbau einer eigenen Struktur auf Basis der oben beschriebenen Grundeinheit wieder zu dominanten, gestaltenden Kraft in diesen Bereichen werden. Dabei ist es besser, mit den Zielen anzufangen, die direkt vor einem liegen und nicht mit großen, übergeordneten Zielen. Um keine Zielkonflikte aufzubauen, ist es wichtig, in Form einer Zielehierarchie zu denken. Wenn z.B. der Schritt in die Selbständigkeit momentan das wichtigste Ziel ist, dann müssen sich andere Ziele, wie z.B. ein großzügiger Lebensstandard oder die Freizeitgestaltung unterstützend unterordnen. Auf diese Weise kann jeder eine zusammenhängende Gesamtstruktur für jeden Lebensbereich aufbauen, die das eigene Handeln dahin lenkt, wo man hin möchte. Die Probleme und Umstände, in denen man sich befindet, bekommen in diesem Zusammenhang eine völlig neue Rolle. Man muss sich nicht mehr den Umständen anpassen oder gegen die Umstände agieren, sondern nutzt die Umstände als Grundstein für das, was man erreichen will.
Mit etwas Erfahrung in der Anwendung der strukturellen Grundeinheit ist es natürlich auch möglich, bei jedem, der das möchte, die Struktur erkennbar zu machen, die das Geschehen in seinen Lebensbereichen steuert. Wie bei einem Puzzle kann man Schritt für Schritt erkennen, was die dominanten Ziele und die entsprechenden Ausgangszustände sind und wie alles andere, das wichtig ist, dem untergeordnet ist oder im Konflikt dazu steht. Darüber hinaus kann das Wissen über die oben genannten Strukturverstärker genutzt werden, um z.B. zu sehen, wie ehrlich mit der Realität umgegangen wird.

Strukturelles Management

Was für den Einzelnen gilt, lässt sich in gleicher Weise auf ein ganzes Unternehmen übertragen. Mit der hier beschriebenen strukturellen Sichtweise werden alle wesentlichen strukturellen Grundelemente, ihr Zusammenhang untereinander und ihre Wirkung im Unternehmen erkennbar und gestaltbar. Die Folgen eines gestaltenden Umgangs mit diesen Strukturen im Unternehmen sind gravierend. Der Aufwand für Changemanagement sinkt drastisch, da es keine Zielkonflikte mehr gibt, die kommunikativ weichgespült und in langwierigen Workshops ausdiskutiert werden müssen. Die Fluktuation im Top-Management sinkt, da persönliche Konflikte im Top-Management als Stellvertreter von strukturellen Konflikten entlarvt werden. Nicht zuletzt steigt die Innovationsrate mit zunehmender Klarheit und Ehrlichkeit im Umgang mit den unüberwindbar erscheinenden Entfernungen zwischen Ziel- und Ausgangszustand, die sich oft gerade bei den wichtigen Unternehmenszielen zeigen.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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