Die Verwendung des Begriffs der Zuständigkeit ist ein erster Indikator für ein unklares Verständnis von Verantwortung. Vor allem in Organisationen mit einem verwaltungsorientierten Management-Denken wird lieber über Zuständigkeit als über Verantwortung gesprochen. Dieses Denken basiert auf der Vorstellung, dass für ein gut funktionierendes Unternehmen vor allem eine möglichst eindeutige und überschneidungsfreie Aufgabenverteilung erforderlich ist. Jeder muss genau wissen, für welche Aufgaben jeder selbst und jeder andere konkret zuständig ist. Für alle weiteren Probleme in der Zusammenarbeit bedarf es dann nur noch guter Prozessbeschreibungen und einer entsprechenden Klärung der Schnittstellen. Die Folgen davon sind, dass viele auf den Input von denen warten, die in der Prozesskette vor ihnen sind und es wird immer wieder über Hol- und Bringschuld diskutiert. Für einen Routinebetrieb mag dieses Zuständigkeitsdenken ausreichend sein. Tatsache ist jedoch, dass sich sowohl die Anforderungen der Kunden als auch die Strategien der Unternehmensleitung ständig verändern und sich nicht in ein Routine-Schema pressen lassen. In der Folge sind auch Aufgabenverteilung und Schnittstellen in ständiger Veränderung. Im Zuständigkeitsdenken erfordert das immer wieder neuen Aufwand für die Klärung der Aufgabenverteilung. Im Gegensatz dazu geht es im Verantwortungsdenken darum, ein Ergebnis zu liefern und dafür zu sorgen, dass alle dazu nötigen Aufgaben erledigt werden, inklusive der Zulieferung von Ergebnissen aus anderen Bereichen. Durch die Übernahmen von Veranwortung für Ergebnisse ist auch eine parallele Erledigung von Aufgaben und eine Veränderung der Aufgabenreihenfolge möglich. Zuständigkeitsdenken ist dagegen unflexibel und eindimensional.
Management by Results
Im Verantwortungsdenken richtet sich der Fokus nicht nur auf die Aufgabe, sondern auch auf das Ergebnis, das mit dieser Aufgabe erreicht werden soll. Diese Sichtweise ist noch viel zu selten in den Unternehmen vorzufinden. Oft gibt es nur Funktionsbeschreibungen, die keine klaren und konkreten Ergebnisse enthalten, für die die Funktionsinhaber veranwortlich sind. Oft herrscht Unklarheit über die Verantwortung der einzelnen Unternehmensbereiche. Wofür ist z.B. der Verkauf verantwortlich? Für die Kundenzufriedenheit? Ist das nicht eher eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung?
Tatsächlich ist Kundenzufriedenheit das Ergebnis aus einem guten Zusammenspiel mehrerer Verantwortungsbereiche. Besser wäre es, zu definieren, dass der Verkauf dafür verantwortlich ist, dass die Kunden das bekommen, was der Verkauf mit ihnen vereinbart hat. Das ist ein konkretes Ergebnis mit konkreten Inhalten, für dessen Erreichung sich der Verkauf immer wieder aufs Neue engagieren muss. Ein anderes Beispiel ist der IT-Bereich. Dieser ist dafür verantwortlich, dass die IT-Systeme auf einem zeitgemäßen Stand und 100 % verfügbar sind. Derart konkret sollte es jedem Mitarbeiter im Unternehmen klar sein, wofür er verantwortlich ist. Je mehr diese Klarheit vorhanden ist, umso schneller verschwinden verallgemeinernde und aufgabenorientierte Beschreibungen von Bereichen. Die Konsequenz eines klaren Umgangs mit Verantwortung ist eine Resultate-Orientierung, die eine ständige Aufgabenkontrolle überflüssig macht.
Jemand, der seine Verantwortung ernst nimmt, sieht sich nicht als Zuschauer oder als Opfer widriger Umstände, sondern sieht sich selbst im Zentrum des Geschehens und berücksichtigt in seinem Vorgehen alles, was er braucht, um das Ergebnis, für das er verantwortlich ist, zu erreichen. Dazu gehört, dass er mögliche Risiken, mögliche Verzögerungen sowie die Stärken und Schwächen der Beteiligten in sein Vorgehen einbezieht. Weitere Erkennungsmerkmale für verantwortliches Handeln sind:
- Überlegte, verbindliche Zusagen zu Vereinbarungen
- Kritisches Hinterfragen der Erreichbarkeit von Ergebnissen
- Einbindung von anderen Bereichen, die zuliefern oder vom eigenen Ergebnis abhängig sind
- Eigenmotiviertes, proaktives Handeln zur Zielerreichung
- Vorausschauendes Organisieren und Planen, z.B. Einplanung von Zeitpuffern
- Einbeziehung widriger Umstände in das geplante Vorgehen
- Eigenständige Entwicklung eines neuen Vorgehens, bereits in dem Moment, in dem erkennbar wird, dass die Zielerreichung gefährdet ist.
Hier müssen Sie ansetzen
Ein sicheres Zeichen fehlender Verantwortlichkeit liegt vor, wenn die Diskussion von Risiken einen besonders hohen Stellenwert bekommt. In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass die Risikoeinschätzungen im Falle einer Nichterreichung des Ergebnisses als Entschuldigungen genutzt werden. Bei jemandem, der Verantwortlichkeit ernst nimmt, kommt das nicht vor. Er meldet sich frühzeitig und sucht nach Klärung und Unterstützung, sobald er bemerkt, dass er selbst nicht mehr im Stande ist, das erwartete Ergebnis zu liefern. Insbesondere in risikoscheuen und sicherheitsorientierten Unternehmenskulturen unterbleibt dieses frühzeitige Melden in der Hoffnung, der Mangel an Verantwortung wird stillschweigend geduldet oder einfach übersehen. Weitere Erkennungsmerkmale für unterentwickeltes Verantwortungsbewusstsein sind:
- Es ist okay, seine Ziele nicht zu erreichen, wenn man sich zu viel vorgenommen hat
- Zusagen unüberlegt und einschränkend geben
- Präventives Diskutieren, Beschweren und Klagen über unbefriedigende Rahmenbedingungen im Unternehmen
- Gegenseitige Schuldzuweisungen
- Warten auf Zulieferung anderer
Aufbau einer Kultur der Verantwortlichkeit
Der professionelle Umgang mit Verantwortung wird wie viele andere Fragen der persönlichen Haltung im Unternehmen durch das Vorleben der Unternehmensspitze geprägt. Klarer Umgang mit Verantwortung heißt für jede Führungskraft:
1. In dem Moment, in dem jemand ein unbefriedigendes Ergebnis abliefert, diese Person darauf anzusprechen. Sollte das Ansprechen nicht geschehen, ist das ein Zeichen dafür, dass der Vorgesetzte selbst seine Führungsverantwortung nicht ernst nimmt. In diesem Fall erstaunt es nicht, dass die unterstellten Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Verantwortung ebenfalls nicht ernst nehmen.
2. Die Frage zu stellen, ob der betreffende Mitarbeiter es auch so sieht, dass hier ein vereinbartes Ergebnis nicht erreicht wurde.
3. Die Frage zu stellen, ob sich die betreffende Person in der Verantwortung für das Ergebnis sieht.
Letztgenannte sind zwei klärende, unvoreingenommene und vorwurfsfreie Fragen. Falls auf beide Fragen kein eindeutiges "Ja" kommt, ist zu klären, worin die betreffende Person ihre Verantwortung sieht. Eine Kultur der Verantwortung entsteht nicht durch das Androhen von Konsequenzen, sondern durch konsequentes Ansprechen konkreter Situationen, in denen etwas nicht wie vereinbart umgesetzt wurde. Gelegenheiten dafür gibt es jeden Tag in jedem Unternehmen. Je konsequenter dies geschieht, umso mehr wird jedem Mitarbeiter und jeder Führungskraft bewusst gemacht, dass dies in Zukunft immer wieder geschehen wird. Dieses Bewusstsein führt dazu, dass immer mehr Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Verantwortung ernst nehmen und sich im Falle eines nicht erreichten Ergebnisses nicht nur auf eine möglichst schnelle Nachbesserung konzentrieren, sondern darüber hinaus versuchen, aus dem Fall zu lernen und das nächste Mal besser zu sein. Das können sie alleine für sich versuchen oder, falls sie ihren eigenen blinden Fleck in ihrem Umsetzungsprozess aufdecken wollen, sich zusammen mit ihrem Vorgesetzten fragen, wie es zu dem unbefriedigenden Ergebnis kam. Klarer Umgang mit Verantwortung ist ein wichtiger Treiber für den Wunsch, sich ständig zu verbessern unter weiterzuentwickeln. Damit dies im ganzen Unternehmen geschieht, bedarf es einer Unternehmensleitung, die persönlich für einen klaren Umgang mit Verantwortung sorgt und diesen selbst praktiziert.
Herausgeber & Copyright: Johann Leitl
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