Der Weg zu einer besseren Kooperation innerhalb und mit der zweiten Führungsebene führt durch schwieriges Gelände. Wer ans Ziel kommen will, der muss sich auf eine ganze Reihe von Hindernissen einstellen:
- Bereichsleiter, die andere Ziele verfolgen als die Kollegen
- Bereichsleiter, deren Ehrgeiz nur darin besteht, sich beim Vorstand gut zu verkaufen
- Verdeckte Geschäftsführung durch ein enges Netzwerk einzelner Bereichsleiter
- Ressort-Egoismen einzelner Vorstände
- Vorstände, die nicht offen miteinander sprechen
- Vorstände, die über die Bereichsleiter hinweg ins operative Geschäft eingreifen
Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, lässt aber bereits eine Menge Konfliktpotential erkennen. Deshalb wählen viele Vorstände und Bereichsleiter in diesen Fällen die Strategie, sich auf ihren Job zu konzentrieren und sich ansonsten aus dem Weg zu gehen. Solange das Geschäft stabil läuft, ist der Schaden durch diese Alleingänge möglicherweise nicht erkennbar. Sobald man jedoch wichtige Veränderungen angestrebt hat, hat eine solche mangelnde Kooperation eine enorme Bremswirkung.
Um diese Bremse zu lösen, veranstalten viele Unternehmen regelmäßig Führungskräfte-Workshops und -Trainings, deren Wirkung jedoch meist nur kurz vorhält. Grund hierfür ist, dass die Ursachen für die anhaltende Bremswirkung eben nicht auf der Verhaltensebene liegen, sondern etwas tiefer, nämlich auf der strukturellen Ebene. Damit ist nicht die Organisation des Unternehmens gemeint, sondern die tief und fest sitzenden Überzeugungen der Unternehmensleitung von der richtigen Art der Unternehmensführung. Deshalb müssen für eine dauerhafte Verbesserung der Kooperation auf der zweiten Führungsebene zunächst diese strukturellen Voraussetzungen verändert werden. Um eine Verbesserung der Kooperation auf der zweiten Führungsebene zu erzielen, braucht es vorher die ehrliche Absicht der Unternehmensleitung, mehr Aufgaben, Verantwortung und entsprechende Befugnisse an die nächste Hierarchiestufe zu delegieren. Eine Unternehmensleitung, die dazu tendiert, möglichst viele Entscheidungen selbst zu treffen und damit das Geschehen im Unternehmen zu kontrollieren, wird es daher schwer haben. Delegation von Entscheidungsbefugnissen ist ein Veränderungsprozess, der ohne gute, horizontale Kooperation zu Fehlern in der Umsetzung von Entscheidungen führt. Genau daran scheitern in vielen Unternehmen immer wieder entsprechende Versuche. Eine Unternehmensleitung jedoch, die solche Delegation ehrlich anstrebt und dann deren Umsetzung - mit entsprechender Fehlertoleranz - durchhält, schafft damit die strukturelle Grundlage für den Aufbau einer dauerhaft guten Kooperation in der zweiten Führungsebene.
Ein weiteres Hindernis für die Transformation ist die Überzeugung, dass gute Kommunikation ausreicht, um gute Kooperation in und mit der zweiten Führungsebene zu realisieren. Wer mehr miteinander redet und sich austauscht, dem gelingt auch eine bessere Zusammenarbeit. Dies ist zwar richtig, reicht jedoch nicht aus. Effektiver ist es, zunächst gemeinsam den Ist-Zustand bei der Zusammenarbeit im operativen Tagesgeschäft zu analysieren. Die entscheidende Frage dazu ist: Was tut man, wenn einer seinen Teil in einem Geschäftsprozess oder einem internen Projekt nicht so ausführt, wie es nötig wäre? Die Mutigen fordern in diesem Fall mehr Kritikfähigkeit, aber die weniger Mutigen wollen und können dem nicht folgen. Deshalb braucht es ein objektives und ehrliches Vorgehen, um aus unbefriedigenden Ergebnissen zu lernen und das horizontale Zusammenspiel zu verbessern. Hierfür müssen alle Vermutungen und Vorurteile dazu, wie dieses Ergebnis zustande kam zurückgestellt werden. Ehrlich daran ist, dass zunächst niemand die Antwort wirklich kennt. Für gutes Zusammenspiel richtet sich der Fokus auf das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit, das nicht den Erwartungen entspricht, um anschließend möglichst objektiv zu analysieren, wie es dazu kam. Objektiv wird die gemeinsame Analyse, indem sich alle Beteiligte nur auf Fakten und konkrete beobachtbare Ereignisse konzentrieren. Solange die Frage: "Sehen Sie dies auch so?" mit "Ja" beantwortet wird, gilt dies als sicheres Zeichen dafür, dass man auf dem richtigen Weg ist und nicht, wie oft üblich, das "Schwarze-Peter-Spiel" spielt. Diese ehrliche und unvoreingenommene Art, aus unbefriedigenden Ergebnissen zu lernen und sich zu verbessern, ist zugleich die beste Form, die Kommunikation untereinander zu verbessern. Wie immer beim Begehen neuer Wege braucht es auch hier Geduld, Fehlertoleranz und Zeit, bis alle Beteiligten so geübt sind, dass sich daraus ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess entwickelt.
Beim Lernen aus unbefriedigenden Ergebnissen der Zusammenarbeit mit und in der zweiten Führungsebene wird man immer wieder auf die Frage stoßen, wer eigentlich wofür die Verantwortung trägt. Je weiter man in der Hierarchie nach oben kommt, umso häufiger herrscht Unklarheit bei den Antworten auf diese Frage. Sehr oft kommt diese Unklarheit aus der Unternehmensleitung und deren Überzeugung, man könne mehr Beteiligte motivieren, wenn man für ein Projekt oder eine wichtige Aufgabe gleich mehrere Verantwortliche benennt. Tatsache ist jedoch, dass es für ein Projekt und eine Aufgabe immer nur einen Verantwortlichen geben kann. Wer derjenige ist und ob das zu seinen sonstigen Aufgaben passt, erschließt sich nicht immer von selbst, sondern muss manchmal einfach entschieden werden. So sind in manchen Unternehmen die Leiter der Unternehmensbereiche für die Auswahl ihrer potenziellen Mitarbeiter verantwortlich, in anderen Unternehmen ist dies der Leiter des Personalbereichs. Zur Verantwortung für eine Aufgabe gehört es, dass der Verantwortliche alle für die Erfüllung der Aufgabe erforderlichen Bereiche einbezieht und mit ihnen zusammen deren Umsetzung organisiert. Damit fällt das Warten auf den jeweils anderen vermeintlich Verantwortlichen weg, was ein typisches Symptom dafür ist, dass mehrere für eine Aufgabe verantwortlich erklärt wurden. Klarer Umgang mit Verantwortlichkeiten ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen einer verbesserten Zusammenarbeit in der zweiten Führunsebene.
Eine anspruchsvolle Frage
Je mehr die Zusammenarbeit mithilfe der oben beschriebenen Schritte vorankommt, umso mehr nähern sich alle einem Niveau, auf dem eine der anspruchsvollsten und womöglich provokativsten Fragen zu dem Thema gestellt werden kann: "Was kann ich tun, damit mein Kollege seine Aufgabe noch besser erfüllt?" Solange sich die Zusammenarbeit der zweiten Führungsebene noch auf einem niedrigen Niveau befindet, führt diese Frage zu erstaunten Gesichtern und zu der Frage: "Wieso denn ich?" Bei einem hohen Niveau in der Zusammenarbeit folgen auf diese Frage jedoch sofort neue Ideen und Verbesserungsansätze.
Machen wir uns nichts vor!
Fortschritte können nur dann echt und nachhaltig sein, wenn alle Beteiligten der Tatsache ins Auge sehen, dass sie im Unternehmens- und Führungsalltag immer wieder Rückschläge erleben werden. Die Sandwich-Position der zweiten Führungsebene zwischen der ersten und der dritten bildet einen besonders guten Nährboden für die Entstehung von Missverständnissen, Unachtsamkeit, Missgunst und Eigennutz. Je mehr Beteiligte dies realistisch sehen und sich dabei nicht auf eine "Das-darf-doch-nicht-sein!"-Haltung versteifen, umso mehr ist gewährleistet, dass es auch auf diesem schwierigen Terrain der Zusammenarbeit in und mit der zweiten Führungsebene zu dauerhaften Verbesserungen kommt.
Herausgeber & Copyright: Johann Leitl
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