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Effektivität = Führen mit Gestaltungsfreiraum

Wenn es einen Indikator für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens gibt, dann ist es der Grad an Gestaltungsfreiraum, der den Führungskräften und Mitarbeitern gegeben wird, um den Weg zur Erreichung ihrer Ziele selbst zu bestimmen. Für die Einführung einer Führungskultur, die diesen Freiraum ermöglicht und fördert - mit allen Chancen und Risiken - existiert ein bewährter Weg. Auf diesem können Management, Führung und Mitarbeiter den verantwortungsvollen, erfolgreichen Umgang mit Gestaltungs-freiraum erlernen und erleben. 


Das Problem mit der Problemhaltung im Management

Oft kann man die innere Haltung des Managements zu Führungskräften und Mitarbeitern daran erkennen, wie es im Unternehmen grundlegende Veränderungen angeht. Das können auch interessant klingende Namen für solche Prozesse nicht verschleiern. Wenn das Management etwa ein Mobilisierungs-Projekt startet, soll das sicher positiv klingen. Bei genauerer Betrachtung werden jedoch gleich zwei "verräterische" Haltungen deutlich: Die erste lautet: Ihr - die Führungskräfte und Mitarbeiter - seid das Problem, und nicht wir, das Management. Die zweite sagt: Ihr bewegt euch nicht - Ihr seid träge und müsst daher mobilisiert werden. Das zeigt eine wenig vertrauensvolle Beziehung zwischen Management und den Führungskräften und Mitarbeitern. Ein ähnliches Beispiel für eine "Ihr-seid-das-Problem"-Haltung im Management ist die Vorstellung, den Mindset einer Organisation verändern zu können.

Die 180-Grad-Wende

Das Gegenteil der "Ihr-seid-das-Problem"-Haltung wäre eine unterstützende und dienende Haltung, bei der sich das Management als Teil des Problems sieht und sich trotz der hierarchischen Ordnung auf Augenhöhe mit Führungskräften und Mitarbeitern begreift. "Auf Augenhöhe" heißt, sich gegenseitig ernst zu nehmen und aus dem Verständnis heraus zu agieren, dass immer beide Seiten aus Problemen und Konflikten im Unternehmen lernen können. In dieser mentalen 180-Grad-Wende des Managements hin zu einer solchen Haltung liegt eine große Chance: Die Sichtweise auf die Gestaltung von Entwicklungsprozessen im Unternehmen verändert sich damit grundlegend und ermöglicht ein effektives Vorgehen zu den gewünschten Zielen.

Führen in Zukunft

Eigenverantwortung und Verantwortung für das Ganze, Gestaltungswille und Motivation, Vernetzung untereinander und ein gemeinsamer "Spirit" - angenommen es gibt eine Organisationsform, in der die Führung all dies ermöglicht und fördert. Das klingt utopisch. Dennoch bedarf es dazu nur eines mutigen Schritts auf den neuen Weg. Viele Organisationen sind diesen ersten Schritt bereits in Form einer Open-Space-Konferenz mit Erfolg gegangen. Schon der Name sagt es: Eine Open-Space-Konferenz hat keine vorgegebene Agenda und ist ergebnisoffen. Das Bedürfnis des Managements nach Kontrolle muss hier durch Mut ersetzt werden. Sowohl aus der Vorbereitung als auch aus der Anwendung der grundlegenden Prinzipien einer Open-Space-Konferenz kann man viel über unterstützende und dienende Haltung im Management lernen. Während einer solchen Konferenz kann man dann live verfolgen, wie die Begriffe Eigenverantwortung, Verantwortung fürs Ganze, Gestaltungswille, Motivation, Vernetzung untereinander und gemeinsamer Spirit mit Leben gefüllt werden.
Am Ende der Konferenz können beispielsweise bei 300 Teilnehmern zwanzig Projektgruppen entstanden sein, mit jeweils hochmotivierten Freiwilligen, die sich für die Umsetzung dieser Projekte engagieren. Dies kann zu einer prägenden Erfahrung für die Führung des ganzen Unternehmens werden.

Die Voraussetzungen

Man kann daraus viel darüber lernen, wie man Gestaltungsfreiraum in einem Unternehmen fördert und etabliert. Drei grundlegende Prinzipien sind dafür Voraussetzung:
1. Freiwilligkeit: Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens hat sich freiwillig für eine Anstellung in diesem entschieden. Dieses Prinzip der Freiwilligkeit ist ein Wert, der später oft zwischen persönlichen Zwängen und Zwängen der Unternehmensführung aufgerieben wird. Trotzdem bleibt Freiwilligkeit essentiell wichtig für die langfristige und dauerhafte Entfaltung von Engagement im Unternehmen.
2. Grenzen: Freiraum darf nicht grenzenlos sein, sonst verzettelt man sich oder schadet sich gegenseitig. Deshalb braucht Freiraum einen konkreten Rahmen. Der CEO muss diesen Rahmen definieren und klarstellen, welche Grundlagen nicht in Frage gestellt werden dürfen, wie etwa Firmenstandorte oder das Gehaltssystem.
3. Ein Motto - oder ein Ziel - mit Zugkraft: Zu Engagement und Eigenverantwortung müssen Mitarbeiter eingeladen werden und sie brauchen zudem Orientierung, wofür der neue Freiraum genutzt werden kann. Ein zugkräftiges Jahresmotto kann diese Orientierung geben. Die Suche nach einem Motto beginnt mit Fragen: "Was bewegt uns alle zurzeit am meisten?" "Wo wollen wir unbedingt besser werden?" Daraus kann etwa das Motto "Perfektes Zusammenspiel - jede/r an seinen Platz" entstehen.

"Seltsame" Prinzipien

Mit den oben genannten Voraussetzungen wird der Rahmen für Gestaltungsfreiraum festgelegt. Um diesen Freiraum mit Leben zu füllen, hält das Open-Space-Format einige zunächst seltsam anmutende Prinzipien und Gesetze bereit. Aus diesen lernt das Management wie es dem Gestaltungswillen und der entsprechenden Arbeitsenergie im Unternehmen seinen natürlichen Lauf lässt.
Diese vier Prinzipien lauten:
- "Egal, wer kommt, es sind die Richtigen": Wer den Raum für Gestaltungsfreiheit öffnet, muss sich für Enttäuschungen genauso wappnen wie für positive Überraschungen und muss vor allem sein Kontrollbedürfnis zügeln. Sollten sich genau diejenigen zurückhalten, von denen man eigentlich Aktion erwartet hatte, so ist das kein Misserfolg. Viel wichtiger ist, dass sich am Ende diejenigen um ein Thema kümmern, die daran interessiert und dafür motivierit sind. Damit bringen sie die nötigen Voraussetzungen für Innovation, Leistung und Durchhaltevermögen mit.
- "Egal, was geschieht, es ist das Richtige": Solange alles gut läuft, hat niemand etwas gegen dieses Prinzip einzuwenden. Erst bei Störungen erhält diese Regel ihre volle Bedeutung. Besonders bei effizienzorientierten Führunskräften stößt sie auf Widerstand. Schließlich könnten die Dinge außer Kontrolle geraten. Tatsächlich kommt es im Gestaltungsfreiraum relativ häufig vor, dass genau dieses passiert. Vertraut man auf das Prinzip "egal, was geschieht, es ist das Richtige", erlebt man einen Perspektiv-Wechsel. Und dieser führt zu neuen Ideen und Lösungen, die bisher nicht im Blickfeld lagen.
- "Egal, wann es anfängt, es ist der richtige Zeitpunkt": Gestaltungswille und Arbeitsenergie folgen eigenen Zeit-Gesetzen und lassen sich nur schwer mit dem Terminkalender steuern. Dies gilt für den Verlauf von Meetings genauso wie für den Verlauf von Projekten. Zeitkorsette erzeugen womöglich lähmenden Druck. Umso bedeutender sind Pausen. Gerade in Pausen entstehen offene Gespräche und Lösungen für scheinbar festgefahrene Themen. Manchmal passiert Entscheidendes gerade am Ende eines Meetings: Beim Hinausgehen fällt noch eine wichtige Bemerkung zwischen zwei Kolleginnen, die den Weg zu einer Lösung aufzeigt.
- "Wenn es vorbei ist, ist es vorbei": Mit diesem Prinzip wird verdeutlicht, dass alles seine Lebenszeit hat. Erfolgsrezepte und Rituale funktionieren möglicherweise irgendwann nicht mehr. Dann ist es besser, weiter zu gehen, als krampfhaft an ihnen festzuhalten.

Das Wesen des gemeinsamen Spirits

Die verbindende Idee hinter den oben beschriebenen vier Prinzipien ist, dem Gestaltunswillen und der Arbeitsenergie freien Lauf zu lassen, ihnen gleichzeitig aber einen definierten Rahmen zu geben. Zudem sollte auf Zwang und Kontrolle verzichtet werden. Das Leitmotto und dessen Verbindung mit der Entwicklung des gesamten Unternehmens geben dem Individuum dabei die Orientierung und verleihen seinem Engagement Sinn.

Was heißt das für den CEO?

Führen mit Gestaltungsfreiraum - dazu braucht es Mut und Vertrauen in den Veränderungsprozess. Ob Leiter einer Open-Space-Konferenz oder CEO eines Unternehmens, ohne Mut und Vertrauen kommt man nicht aus, wenn man nach diesem Prinzip führen will. Darüber hinaus gibt es ein paar wichtige Richtlinien, die für die Leitung einer Open-Space-Organisation essentiell sind:
- Den Gestaltungsfreiraum offenhalten. Das heißt, bei allen Aktivitäten und Aussagen seinen Mitarbeitern Mut und Vertrauen signalisieren und dabei konsequent die Aufrechterhaltung der oben beschriebenen Voraussetzungen unterstützen.
- Aus einer unterstützenden Haltung heraus beobachten, Feedback geben, sich um optimale Arbeitsbedingungen und -mittel kümmern und sich möglichst wenig ins operative Geschehen einmischen.
- Dem gemeinsamen Spirit Bedeutung und Raum geben, ohne ihn zu benennen.
Ähnlich wie der Moderator einer Open-Space-Konferenz wird der CEO erleben, dass die Führung mit Gestaltungsfreiraum nicht mit einer hohen Arbeitsbelastung einhergeht. Das ist sicher zunächst ungewohnt, aber genau dies ist ein Zeichen für hohe Effektivität.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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