Die Fähigkeit eines Unternehmens, Geschäft zu generieren und die Basis eines Unternehmens, Geschäft zu generieren sind zwei grundverschiedene Dinge. Im ersten Fall geht es um Marketing und Verkauf und im zweiten Fall geht es um das Geschäftsmodell des Unternehmens. Kreative Marketingteams und fleißige Verkäufer können lange über ein immer weniger funktionierendes Geschäftsmodell hinwegtäuschen. Am Ende ist das Scheitern des Unternehmens oft nicht mehr aufzuhalten. Neckermann und Grundig sind prominente Beispiele dafür. Die zunehmende Renditeorientierung im Management sorgt zusätzlich dafür, dass das Verständnis für das Geschäftsmodell eines Unternehmens verloren geht. In der Folge kommen die Unternehmen immer häufiger in eine schwierige Lage. Die Ereigniskette sieht dann meistens wie folgt aus: Rettungsversuche und die Suche nach den Ursachen werden immer intensiver; es folgen Wechsel an der Spitze der Unternehmen; immer neue Erfolgsrezepte werden propagiert und führen immer häufiger zu Resignation und Abstumpfung bei denen, die länger im Unternehmen tätig sind. Die grundlegende Ursache für die schwierige Lage bleibt jedoch meistens unerkannt.
Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass die Basis, Geschäft zu generieren verloren geht. Eines der sichersten Anzeichen kommt bei Stärken-/Schwächen-Analysen von Unternehmen zum Vorschein. Je überzeugter gute Kundenbeziehungen als herausragende Stärke oder sogar als Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens genannt werden, umso mehr ist bei diesen Unternehmen die letzte Stufe vor dem Aus des Geschäftsmodells erreicht. Kundenbeziehungen sind gut für den Verkauf aber kein differenzierender Bestandteil eines Geschäftsmodells, außer vielleicht für Handelsvertreter. Mit guten Kundenbeziehungen können der Umsatz gehalten und die Wettbewerber auf Distanz gehalten werden. Aber in der Regel können damit keine neuen Kunden gewonnen werden. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass ein Geschäftsmodell dem Ende zugeht ist die reaktive Wettbewerbsorientierung eines Unternehmens. Diese ist z.B. daran erkennbar, dass Preis- oder Sortimentsstrategien der Wettbewerber nachgeahmt werden ("Me-Too-Strategie"). Je mehr das Agieren des Wettbewerbs zur Begründung für Aktionen des eigenen Unternehmens herangezogen wird, umso mehr ist das Verständnis für das eigene Geschäftsmodell bereits verloren gegangen. Weitere typische Kompensationsstrategien für schwache Geschäftsmodelle sind übermäßiger Verkaufsdruck, manipulatives Verkaufen, Rabattaktionen für neue Produkte, hohe Preisnachlässe bei wichtigen Kunden, Niedrigpreis-Aktionen zur Auslastung der Produktion. Ein häufiger Fall für das komplette Fehlen eines Geschäftsmodells ist das sogenannte Ingenieurs-Syndrom. Dabei geht es um technische Erfindungen, für die großes Kundeninteresse vermutet wird, für die jedoch in der Kaufsituation zu wenige Kunden bezahlen wollen.
Wer sich mit seinem Geschäftsmodell langfristig nicht ins Aus manövrieren will, der sollte sich folgenden vier einfach klingenden aber nicht ganz einfach und klar zu beantwortenden Fragen stellen:
1. Am Anfang steht die Frage "Wer sind unsere Kunden?" Es ist immer erstaunlich, wie diffus und unpräzise diese Frage beantwortet wird. Oft gibt es mehrere Kundensegmente und einen mehrstufigen Vermarktungsprozess. Wichtig ist, dass zuerst die Endkunden in den Focus genommen werden und möglichst genau eingegrenzt wird, wer die Zielgruppe ist.
2. Dabei kann die zweite Frage helfen, bei der es darum geht, was die Endkunden interessiert und was ihnen besonders wichtig ist. Z.B. kann es um Kunden gehen, die besonders daran interessiert sind, durch die Benutzung eines Produkts Zeit zu gewinnen, die sie für Bereiche nutzen können, die ihnen wichtig sind.
3. Ein Geschäftsmodell wird jedoch erst dann daraus, sobald die dritte Frage beantwortet ist, bei der es darum geht, was das Unternehmen interessiert und was für das Unternehmen wichtig ist. Geschäftsmodelle generieren umso mehr Geschäft und hohe Margen, je größer die Übereinstimmung der Antworten aus der zweiten und der dritten Frage ist. Umgekehrt ist eine geringe Übereinstimmung von Kunden- und Unternehmensinteresse der Weg ins Aus für das jeweilige Geschäftsmodell. Im Bankensektor war diese Entwicklung in den vergangenen 10 Jahren sehr gut beobachtbar. Das zunehmende einseitige Gewinninteresse der Banken hat zu Produktangeboten und Verkaufsmethoden geführt, die mit den Interessen der Zielgruppe immer weniger übereingestimmt haben. Eine der teuersten Konsequenzen daraus sind anhaltende Marktanteilsverluste.
4. Die vierte Frage ist die anspruchsvollste und führt zum Kern eines Geschäftsmodells: Wie sieht ein geschäftliches Angebot für unsere Kunden aus, zu dem sie nicht Nein sagen können? Oder etwas anderes formuliert könnte die vierte Frage lauten, "Wie sieht ein Angebot von uns aus, bei dem kein bestehender und kein potentieller Kunde daran vorbeikommt, uns in Betracht zu ziehen?"
In der Realität sehen funktionierende Geschäftsmodelle, bei denen die vier oben genannten Fragen klar beantwortet wurden, wie folgt aus:
- Eine Bank, die sich auf den Verkehrsmarkt spezialisiert hat und die es durch den Aufbau einer weltweiten Präsenz, die Kombination mit juristischer Expertise sowie den Aufbau einer umfassenden Marktkenntnis geschafft hat, dass z.B. jede Airline gut beraten ist, diese Bank vor jeder Investitionsentscheidung zu Rate zu ziehen.
- Ein Kfz-Händler, der es durch eine jahrelang trainierte, enge Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Neuwagen, Gebrauchtwagen, Kundendienst und Ersatzteile geschafft hat, den Verkauf und die Reparatur von PKW für die Kunden so einfach, transparent und schnell zu machen, dass alle potentiellen Kunden in der Region diesen Händler bei wichtigen Entscheidungen rund um Kauf und Reparatur ihrer Fahrzeuge aufsuchen oder anfragen.
- Ein Markenartikelunternehmen, das es geschafft hat, seine Produkte weit über dem ökologischen Standard im Markt herzustellen und dessen Produkte, objektiv beweisbar mindestens genauso gute Performance zeigen, wie traditionell hergestellte Produkte mit hohem Performanceanspruch
- Ein mittelständisches Hochtechnologieunternehmen, das in einem Markt, der von wenigen internationalen Großkonzernen beherrscht wird, in der Lage ist, technisch gleichwertige Ergebnisse, zuverlässig zu liefern und für die Auftraggeber eine wichtige Alternative zur Angebotsmacht der Großkonzerne darstellt.
Neben diesen herausragenden Beispielen gut funktionierender Geschäftsmodelle gibt es natürlich viele Unternehmen, die weniger Vorsprung haben, als in den oben genannten Beispielen, aber getrieben vom Interesse am eigenen Produkt und mit einer klaren Orientierung an den Interessen ihrer Kunden über eine gute Basis verfügen, um Geschäft zu generieren.
Eine vorausschauende Haltung ist gefragt
Langfristig gesehen ist die entscheidende Frage für jedes Unternehmen, ob es der Unternehmensleitung gelingt, das bestehende Geschäftsmodell zu überdenken und neu zu gestalten. So stehen z.B. die Filialbanken vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell neu zu gestalten, da das Interesse der Kunden wächst, Finanzdienstleistungen unabhängig von Ort und Zeit zu suchen, zu vergleichen und auszuwählen. Dieses Beispiel zeigt darüber hinaus, dass die Erosion eines Geschäftsmodells sehr lange dauern kann und keiner sagen kann, wann der Zeitpunkt erreicht ist, an dem die Investitionen für den Umbau vom alten zum neuen Geschäftsmodell nicht mehr aus eigener Kraft gestemmt werden können. Deshalb ist es wichtig, erste Anzeichen dafür, dass die Basis, Geschäft zu generieren verloren geht, ernst zu nehmen und frühzeitig das eigene Geschäftsmodell mit passenden geschäftlichen Angeboten zu erweitern oder neu auszurichten. Die wichtigste Voraussetzung dazu ist ein tiefes und klares Verständnis der Kundeninteressen und der eigenen Interessen. Nur daraus können geschäftliche Angebote entstehen, die über die Erwartungen der Kunden hinausgehen.
Herausgeber & Copyright: Johann Leitl
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