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K.O. durch Kontrolle

Kontrollorientierte Führungskräfte können die Entwicklung des ganzen Unternehmens lähmen. Wer das Thema Kontrollorientierung bei Führungskräften anspricht, muss mit Widerstand oder sogar mit Ärger rechnen. Andererseits wird die Kontrollorientierung von Führungskräften durch Risikomanagement-Systeme und Compliance-Regeln immer weniger direkt erkennbar. Wie kann eine Kontrollorientierung bewusst gemacht und eine mögliche negative Wirkung auf die Geschäftsentwicklung und die Motivation im Unternehmen verhindert werden?

Kontrollorientierte Manager haben es heute leichter

Kontrollorientierung ist eine weit verbreitete Haltung im Management. Jedoch will kein Manager als Kontrollfreak dastehen. Also muss sich Kontrolle in einer sozial akzeptableren Form zeigen, z.B. durch die Vermischung mit populären Management-Konzepten oder mit elitären Verhaltensmustern. Machtstreben ist eines davon. Bei oberflächlicher Betrachtung ist Machtstreben sehr leicht mit Kontrollorientierung zu verwechseln. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass sich echtes Machtstreben nicht durch Kontrollmaßnahmen, sondern z.B. über Durchsetzungsvermögen und einflussreiche Netzwerke zeigt. Es gibt allerdings Manager, die versuchen, ihre Macht durch Kontrollsysteme zu stabilisieren. Dieses Vorgehen hat keine langfristige Lebensdauer. Die negative Wirkung von Kontrolle reduziert langfristig den Unternehmenserfolg und kann zu einer Existenzkrise führen. Noch leichter mit Kontrollorientierung zu verwechseln ist die Anwendung von Risikomanagement-Systemen und von Compliance-Regeln. Aber auch hier zeigen sich bei genauerem Hinsehen Unterschiede zwischen einer Kontrollorientierung und dem sinnvollen Einsatz dieser Systeme. Risikimanagement-Systeme sollen Transparenz zu den Risiken einer immer komplexer werdenden Unternehmenswelt schaffen und die Einhaltung von Compliance-Regeln ist strategisch mit einem Qualitätsversprechen vergleichbar. Treffen diese Systeme jedoch auf eine ausgeprägte Kontrollorientierung im Management, dann wird sich die positive Absicht sehr schnell in eine negative und lähmende Wirkung umkehren. Mit der Verpflichtung zu Risikomanagement-Systemen und Compliance-Regeln ist es leicht, seine eigene Kontrollorientierung vor kritischer Selbstreflexion zu schützen und die Verantwortung für erhöhten Kontrollaufwand und für Demotivation auf den Einsatz dieser Systeme abzuschieben.

Die Symptome der Kontrollorientierung

Wie gelingt es bei dieser diffusen Gemengelage einen klaren Blick für Kontrollorientierung und ihre schädliche Wirkung zu behalten? Als erstes bieten sich natürlich beobachtbare Verhaltensweisen an, die auf eine Kontrollorientierung hinweisen. Diese zeigen sich vor allem im Umgang mit Offenheit und Selbstreflexion. Kontrollorientierte Manager versuchen Fragen und Verhaltensweisen anderer, die in Richtung offenem und reflektiertem Umgang mit Problemen und Personen weisen, aus dem Weg zu gehen. Das tun sie, indem sie diese Versuche ignorieren und ablehnen oder indem sie z.B. so viel reden, dass der Gesprächspartner unfreundlich unterbrechen müsste, um zu Wort zu kommen. Auf die gleiche Weise zeigt sich Kontrolle in Management-Workshops z.B. durch hohe Zeitanteile für Information und Präsentation. Am Ende bleibt dann nicht mehr genügend Zeit, um Offenheit zu entwickeln. Folglich endet der Workshop mit krampfhaften Versuchen, noch schnell offen zu diskutieren, die dann leicht als störend oder unbefriedigend beendet werden können.
Es gibt aber auch schärfere Reaktionen, um die Kontrolle zu behalten, z.B. Ärger, Wut und Bestrafung. Für diejenigen, die diese Reaktionen treffen, sind diese oft nicht nachvollziehbar, da sie als Reaktionen auf gut gemeinte, sachliche, oft auch auf eher unbedeutende Aussagen folgen. Je öfter dies vorkommt, umso mehr setzt sich bei den Betroffenen das Gefühl fest, man muss ständig auf der Hut sein und aufpassen, ob man das Richtige sagt oder macht, denn man weiß nie genau, ob es einem übel genommen wird. Damit wird nicht nur Kritik, sondern auch jede Art von Kreativität und eigenmotiviertem Engagement abgewürgt.
Besonders schwierig wird es, wenn sich Kontrolle hinter einer fürsorglichen, Sicherheit gebenden Fassade verbirgt. Dass es sich dabei um Kontrolle handelt, ist daran erkennbar, dass für die Fürsorge und Sicherheit eine Gegenleistung erwartet wird, z.B. Gehorsam und Zurückhaltung mit Kritik.

Was verstärkt das Kontrollbedürfnis?

Wer das gerne ändern möchte und wer versuchen will, mit seiner Kontrollorientierung umzugehen, der muss zunächst verstehen, was hinter den Symptomen steckt. Die Frage dazu lautet: Was motiviert einen Manager, das Verhalten seiner Führungskräfte und Mitarbeiter kontrollieren zu wollen? Auf der Suche nach konkreten Antworten auf diese Frage im Rahmen von Coachings zeigt sich immer wieder, dass es kontrollorientierten Managern nicht darum geht, Macht über andere zu haben oder andere zu manipulieren, sondern sie verstehen sich selbst als fürsorgliche, wohlgesonnene Menschen, die jedoch unrealistische Annahmen haben, z.B. darüber
(1) welche Gefahren es gibt und was potentiell schief gehen kann
(2) wie weit man den Kollegen und Mitarbeitern vertrauen kann, vor allem deren Urteilsvermögen
(3) dass die Kollegen und Mitarbeiter nicht sich selbst überlassen werden können, denn sie wissen nicht, was das Beste für sie ist und schaden sich dadurch selbst
Aus diesen unrealistischen Annahmen werden im Laufe der Zeit unrealistische Überzeugungen und diese unrealistischen Überzeugungen bestimmen dann die Wahrnehmung der Realität. Die Folgen davon im Unternehmen sind:
- Die Gegenwart und die Zukunft wird immer öfter in Negativszenarien dargestellt
- Es werden mehr und mehr Regeln für alles und jeden aufgestellt
- Unbefriedigendes Verhalten einzelner wird pauschalisiert und versucht durch pauschales Vorgehen bei allen zu korrigieren
Die unweigerlichen Konsequenzen dieser Vorgehensweisen im Unternehmen sind Angst vor Fehlern, Absicherungsdenken, weniger Mitdenken für andere Bereiche, weniger vorausschauendes Handeln, weniger Kreativität, weniger Eigenengagement usw. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Situation eines kontrollorientiert geführten Unternehmens vergleichbar mit einer Person im Würgegriff.


Realitätskorrektur für unrealistische Annahmen hilft

Wer dies nicht will und seine Kontrollorientierung reduzieren will, der hat einen Lernprozess vor sich, in dem er Schritt für Schritt seine Annahmen über die Realität überprüfen muss, z.B. mit folgenden Fragen:
- Was genau ist die Gefahr für mich und/oder für Kollegen und Mitarbeiter? Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Gefahr eintritt? Welche Erfahrungen habe ich bereits gemacht? Was kann ich beeinflussen, was nicht?
- Wer verhält sich adäquat, wer nicht? Auf wen kann ich mich verlassen, auf wen nicht? Wer neigt zu unüberlegten Handlungen, wer nicht?
Mit der Klärung jeder Frage wird der Blick auf die Realität wieder differenzierter und klarer. Parallel dazu nimmt das Kontrollbedürfnis ab.

Besonders herausfordernd: Kontrollorientierung in der Unternehmensleitung

In der Praxis ist es besonders herausfordernd, eine Kontrollorientierung zu adressieren und eine Verbesserung zu erreichen, wenn ein Mitglied der Unternehmensleitung oder der Vorsitzende sich kontrollorientiert verhält. Irgendwann kommen die Kollegen in der Unternehmensleitung an den Punkt, an dem eine gute Zusammenarbeit immer schwieriger wird. Wie sollen sie jetzt vorgehen? Wo sollen sie ansetzen? Der betreffende Kollege wird sein Verhalten im Einklang mit den kontrollorientierten Systemen im Unternehmen sehen und wird versuchen, jeder Form der Selbstreflexion aus dem Weg zu gehen. Auch auf Anraten seiner Kollegen sind die Chancen gering, dass er seine Angst vor Kontrollverlust überwindet und von sich aus Selbsterkenntnis sucht. In diesem Fall hilft nur noch konsequentes Verhalten seiner Kollegen. Entweder es kommt - mit oder ohne beratende Unterstützung - zu einer Verhaltensänderung oder die Zusammenarbeit kann nicht mehr fortgesetzt werden.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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