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Kunden verstehen

Insbesondere Unternehmen, deren Mitarbeiter direkten Kundenkontakt beim Abschluss von Geschäften haben, neigen zu ausgeprägtem umsatz- und verkaufsorientierten Denken. Darüber hinaus verleitet der direkte Kundenkontakt diese Unternehmen zu mentalen und finanziellen Beeinflussungsstrategien, die den maximalen Verkaufserfolg sicherstellen sollen. Vertrauen und Kundenbindung gehen dabei leicht verloren. Wie sieht die Grundlage für Kundenbindung und langfristigen Verkaufserfolg in der Praxis aus?

Ist Ihr Unternehmen primär kunden- oder primär verkaufsorientiert?

Die Frage nach der Kunden- und Verkaufsorientierung in einem Unternehmen als "Entweder-oder-Frage" zu stellen macht keinen Sinn, denn in jedem Unternehmen sind beide Orientierungen vorhanden. Die Frage ist vielmehr, welche der beiden Orientierungen die vorherrschende ist. Die Antworten auf folgende Beispielsfragen sind Indikatoren für die vorherrschende Orientierung: "Wird mehr in die Belohnung der Verkäufer oder in die Erforschung der Kundenbedürfnisse investiert?", "Verdient die Marketingabteilung ihren Namen oder verbirgt sich hinter dem Namen eine Verkaufsförderungsabteilung?", "Wie sieht die Ausbildung der Mitarbeiter mit Kundenkontakt aus? Geht es dabei mehr um Überzeugungs- und Abschlusstechniken oder um die Frage, ob der Kunde gerne wieder kommt, auch wenn er gerade nichts gekauft hat?" Würde man die Kunden befragen, ob sie ein Unternehmen eher verkaufs- oder kundenorientiert wahrnehmen, würde vielen Kunden die Antwort wahrscheinlich leicht fallen, da sie den Unterschied direkt zu spüren bekommen. In primär verkaufsorientierten Unternehmen spürt der Kunde den Druck des Verkäufers, z.B. dadurch, dass der Verkäufer sich so verhält, als würde der Kunde nicht wissen, was das Beste für ihn ist. Schnell ist in dem Verkaufsgespräch die Lösung für das Kundenproblem parat. Zweifel werden wegargumentiert, Vorteile werden aufgezählt, ohne zu wissen, ob sie für den Kunden relevant sind. Dominiert Verkaufsorientierung, dann zählt zuerst der Umsatz und der Wert des Kunden bemisst sich nach seinem Umsatzpotential. Bei einer Kundenorientierung sind es völlig andere Werte, die das Vorgehen im Verkauf bestimmen. Ein Kunde merkt in kundenorientierten Unternehmen meistens sofort, dass man echtes Interesse an ihm hat, denn es herrscht insbesondere Aufmerksamkeit statt Aufdringlichkeit und Offenheit für die Unsicherheit des Kunden statt Besserwisserei.

Grundlegende Werte einer erlebbaren Kundenorientierung

Unternehmen, die nicht nur in Form von Hochglanzbroschüren, sondern auch in der Realität von einer primären Verkaufsorientierung zu einer primären Kundenorientierung wechseln wollen, stehen vor einer echten Herausforderung. Das Einfordern und Antrainieren kundenorientierter Verhaltensweisen in den Verkaufsbereichen reicht für einen dauerhaften Wechsel der Orientierung nicht aus. Es muss gleichzeitig ein Überdenken und eine Neuorientierung auf der Werteebene stattfinden. Dies gelingt nur, wenn das ganze Unternehmen involviert ist. Die grundlegenden Werte einer Kundenorientierung sind:
- Unvoreingenommenheit beim Verstehen, was dem Kunden wichtig ist und wie der Kunde seine Entscheidung trifft.
- Ergebnisoffenheit beim Klären, ob es eine Übereinstimmung zwischen dem Angebot des Unternehmens und dem, was der Kunde will, gibt.
- Klarheit, die dem Kunden hilft, eine gut überlegte Entscheidung zu treffen, auch wenn am Ende kein "Ja" steht.
- Ehrlichkeit bei der Frage, wie gut die hier genannten Werte im Umgang mit den Kunden angewendet werden.
Diese Werte haben natürlich nur dann eine Chance gelebt zu werden, wenn übergeordnete Steuerungsmechanismen, wie z.B. Ziel- und finanzielle Anreizsysteme darauf abgestimmt sind.

Verstehen kommt vor Verkaufen

Mit dem Ziel vor Augen, den Kunden oder potentiellen Kunden zu verstehen, können in dem Gespräch mit dem Kunden die oben genannten Werte umgesetzt werden, d.h.
- Fragen werden aus einer unvoreingenommenen Haltung heraus gestellt
- Das Gespräch wird ergebnisoffen geführt
- Informationen über konkurrierende Angebote von Wettbewerbern werden neutral behandelt
- Die Kaufentscheidung wird neutral durchgegangen und es wird geklärt, welche Priorität die Kriterien haben, die dem Kunden wichtig sind
Sobald der Kunde diese Haltung erlebt, wird er Vertrauen zu seinem Gesprächspartner fassen. Dies ist der grundlegende Schritt zu einer langfristigen Kundenbeziehung und -bindung, unabhängig davon, ob ein Kauf sofort stattfindet oder nicht.
Auf der inhaltlichen Ebene ist ein Kundengespräch in dieser Form vergleichbar mit dem Zusammensetzen von Puzzleteilen zu einem Bild. Die ersten Schritte zu diesem Gesamtbild bestehen darin, zu fragen, was der Kunde will und in welchem individuellen Zusammenhang das steht, was er will. Dafür ist z.B. relevant, von was die Verwirklichung des Kundenwunsches abhängt oder ob es übergeordnete Wünsche gibt. Mit jeder Antwort des Kunden kommen Teile des Gesamtbildes hinzu. In diesem Zusammenhang ist es für den Prozess des Verstehens und Vertrauens besonders wichtig, dass der Gesprächspartner dem Kunden immer wieder eine Zusammenfassung des Kundengesprächs gibt. Bestätigt der Kunde diese Zusammenfassung, dann wissen beide Gesprächspartner, dass sie eine gleiche Sicht auf ihr Thema haben. Jede Bestätigung des Kunden zu dieser Zusammenfassung ist natürlich auch ein Beweis dafür, dass sich der Kunde verstanden fühlt. Der Kunde erkennt dadurch, dass es um echtes Interesse an ihm und an seinem Anliegen geht.
Erst wenn möglichst gut geklärt ist, was der Kunde will, kann der Verkäufer erkennen, ob er ein passendes Angebot für den Kunden hat. Falls nicht, muss sich der Kunde fragen, wie er bei einem anderen Anbieter ein passendes Angebot findet. Falls das Angebot des Verkäufers passt, geht es nicht sofort um den Kaufabschluss, sondern erst um die Kaufentscheidung, an dessen Ende ein Kaufabschluss stehen kann. Das Gespräch bleibt weiter ergebnisoffen und es geht darum, zu verstehen, wie der Kunde seine Entscheidung trifft. Ob er das Angebot annimmt, hängt davon ab, ob das, was ihm wichtig ist, mit der Annahme des Angebots realisierbar ist. Es geht dabei z.B. um verfügbare Zeit, verfügbare finanzielle Mittel oder um die Umsetzbarkeit. Häufig lernt der Kunde in diesem Zusammenhang auch etwas über sich, das ihm wichtig ist und das er bisher noch nicht wusste. In diesem Fall nimmt das Verständnis erneut zu und führt zu mehr Vertrauen. Sehr oft führt bereits ein einziges Gespräch in dieser Form dazu, dass der Kunde oder potentielle Kunde mit geschäftlichen Anliegen immer wieder kommt, da er davon ausgehen kann, dass er verständnisvoll und ergebnisoffen behandelt wird. So wird der zeitliche Aufwand für ein Gespräch dieser Art über die Dauer der Kundenbeziehung zu einer marginalen Größe.


Neue Wege gehen mit Kunden und potentiellen Kunden

Einen Schritt weiter gehen Unternehmen, die über ein verständnisvolles Vorgehen auf der individuellen Ebene zwischen ihren Mitarbeitern und ihren Kunden hinausgehen wollen. Sie beginnen, mit Gruppen ihrer Kunden und potentiellen Kunden neue Wege zu gehen. Aufbauend auf ihren bisherigen Erfahrungen mit der Kundenkontakt- und Beziehungspflege in größeren Gruppen von Kunden, z.B. in Form von Vortragsveranstaltungen, Hausmessen und Sportevents gehen sie über diese Formen hinaus, um Kunden besser zu verstehen, z.B. in Form von
- Gemischten Workshops mit Kunden und potentiellen Kunden, in denen die unterschiedlichen Standpunkte dieser beiden Gruppen genutzt werden, um Verbesserungen des Produkts oder Dienstleistungsangebots zu finden.
- Einbeziehung kleiner Gruppen von Kunden und potentieller Kunden in den internen Prozess der Entwicklung von Produkt- und Dienstleistungsangeboten.
- Open-Space-Foren, aus denen gemischte Gruppen von Mitarbeitern und Kunden hervorgehen, die sich für die Umsetzung kundenorientierter Maßnahmen im Unternehmen engagieren.
Je mehr nicht nur Mitarbeiter des Verkaufs- und Marketingsbereichs an diesen Formen der Einbeziehung von Kunden in der Unternehmensentwicklung beteiligt werden, umso besser kann das ganze Unternehmen auf Kundenorientierung ausgerichtet werden.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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