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Engpass oder Brennglas?

Bei schneller und effektiver Umsetzung der Unternehmensstrategie bleiben viele Unternehmensleitungen hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Sehr oft wird fehlendes Committment sowie fehlende Verantwortlichkeit der Führungskräfte und Mitarbeiter als Grund dafür gesehen. Eher selten kommen Unternehmensleitungen zu der Erkenntnis, dass sie selbst der Engpass für die Umsetzung der Unternehmensstrategie sind. Was sind Wege, die zu Engpasssituationen führen und was gibt es daraus für die Beschleunigung von Umsetzungsprozessen zu lernen?

Engpässe durch unreflektierte Überzeugungen

Wenn es eine Hitliste der unerkannt bleibenden Umsetzungshürden von Strategien geben würde, dann würden hinderliche, aber als normal angesehene Gewohnheiten und unrealistische Annahmen an der obersten Stelle dieser Hitliste stehen. Das unerkannte Wirken dieser beiden Faktoren macht es für Unternehmensleitungen schwierig zu sehen, wie sie sich selbst zu einem Engpass für die Umsetzung ihrer Strategien entwickeln. Eine der häufigsten hinderlichen Gewohnheiten ist es, die eigene chronische Überlastung in der Unternehmensleitung als Normalzustand anzusehen. Es gehört vielfach zum Selbstverständnis von Unternehmensleitungen, die knappste Ressource im ganzen Unternehmen zu sein. Die Folge für die umsetzungsverantwortlichen Mitarbeiter und Führungskräfte sind Warte- und Stillstandzeiten. Trotz dieser schädlichen Folgen wird dieses hinderliche, aber allgemein anerkannte Selbstverständnis mit Überzeugung gelebt und nicht gerne hinterfragt. Eine weitere hinderliche Gewohnheit, die häufig zum allgemein anerkannten Selbstverständnis einer Unternehmensleitung gehört, ist es, ihre Unternehmen mit einer hohen Bandbreite und Vielfalt von Zielen zu beauftragen. Nicht selten wird sogar von einem Zielekatalog gesprochen. Damit wird eine Wahlmöglichkeit suggeriert, die es nicht gibt. Je mehr Ziele, umso höher ist der Abstimmungs- und Entscheidungsbedarf, aber auch das Risiko von Rückdelegation in die Unternehmensleitung. Das hält die Auslastung der Unternehmensleitung auf hohem Niveau und führt dazu, dass nicht die Umsetzungsverantwortlichen, sondern die Unternehmensleitung zum Engpass für die Erreichung aller Ziele wird. Diese Engpasssituation führt zu dem Risiko, die Erreichung kurzfristiger Ziele zu bevorzugen und die Erreichung der langfristigen Ziele zu vernachlässigen.

Realitätsverlust erkennen

Ein zusätzlicher Beschleuniger auf dem Weg in Engpasssituationen sind unerkannt bleibende, unrealistische Annahmen. Z.B. sind Aussagen, die mit "Ich glaube...", oder mit "Es kann nicht sein, dass...". beginnen ein sicheres Indiz dafür, dass keine Fakten und keine eigenen Beobachtungen folgen, sondern Annahmen. Diese Annahmen können zutreffend sein oder auch nicht. Annahmen, die in Umsetzungsprozessen häufig auftauchen und sich als unrealistisch herausstellen sind z.B.
- alle Verantwortlichen sind bei wichtigen Abstimmungsterminen anwesend
- bei zusätzlichem Personal kann vom Einstellungstermin an mit 100 % Leistung gerechnet werden
- die Verantwortlichen haben bei der Zusage von Terminen Urlaubszeiten und Pufferzeiten einkalkuliert
- Informationen aus Abstimmungs- und Entscheidungsmeetings werden von den Teilnehmern in ihren Organisationseinheiten vollständig und an alle Betroffenen weiter gegeben
 In dem Moment, in dem sich diese Annahmen als unrealistisch herausstellen ist es meistens zu spät, die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Folgen sind Mehraufwand durch Verzögerung und unnötige Nachbesserungen. In der Regel haben alle im Management Erfahrung mit diesen Annahmen und deren Folgen. Je größer jedoch der Zielerreichungs- und Zeitdruck ist, umso größer ist die Neigung diese Erfahrung auszublenden. Eine Unternehmensleitung, die nicht auf diese Annahmen achtet und die Umsetzungsverantwortlichen loslegen lässt in der Hoffnung, es wird schon klappen, ebnet damit den Weg zu späteren Engpässen in der Umsetzung. Damit wird die Unternehmensleitung auf indirektem Weg zum Engpass-Faktor.

Das Tabuthema: Engpass bei Entscheidungen

Neben den oben genannten indirekten und nicht so leicht erkennbaren Gründen, warum Unternehmensleitungen, zum Engpass werden, gibt es auch direkte erkennbare Engpässe. An erster Stelle stehen hier Entscheidungen, insbesondere schwierige Personalentscheidungen. Dabei geht es nicht um die populäre Frage, entscheiden wir zu viel oder zu wenig, sondern um die weniger populären Fragen
- entscheiden wir rechtzeitig und synchron zum Umsetzungsprozess?
- schieben wir Entscheidungen vor uns her?
- gehen wir Entscheidungen aus dem Weg?
Falls es hier Defizite gibt, liegt es häufig an folgenden Ursachen:
- Unklarheit und Uneinigkeit über die Priorisierung der Entscheidungskriterien
- Zielkonflikte zwischen den betroffenen Unternehmensbereichen
- Konflikte grundlegender, persönlicher Werte, wie z.B. Harmonie erhalten versus Klärung von Konflikten
Um an diese Ursachen heran zu kommen, muss jedoch zuerst eine schwierige Hürde genommen werden, denn Alphatiere neigen dazu, die Thematisierung einer unbefriedigenden Entscheidungssituation persönlich zu nehmen. Das heißt, unbefriedigendes Entscheidungsverhalten ist ein Tabuthema, das nur über eine offene Ansprache im Management-Team oder über ein Konfliktgespräch mit dem CEO angegangen werden kann.


Vom Engpass zum Brennglas

Kritische Rückmeldungen aus dem Unternehmen oder ein selbstkritischer Blick auf die Möglichkeit selbst ein Engpass zu sein, reichen meistens nicht aus, um dieses Thema ernsthaft anzugehen. Bewegung kommt erst ins Spiel, wenn Fakten über die Folgeschäden der Engpasswirkung auf den Tisch kommen, z.B. verzögerte Kosteneinsparung, verzögerte Personaleinstellungen, Verschleppung von Neuprodukteinführungen, Kosten für Nachbesserung etc. Das Alles sind konkrete Gründe, um Verantwortung zu übernehmen und Auswege aus der Engpasssituation anzugehen. Je länger der Weg in den Engpass bereits gegangen wurde, umso mehr muss der Ausweg in nachstehender Reihenfolge angegangen werden:
1. Komfortzone verlassen
2. Realitätscheck
3. Fokussierung
Die eigene Komfortzone zu verlassen
(1) sollte der erste Schritt für das Team der Unternehmensleitung sein. Dazu müssen alle offenen und verschobenen Entscheidungen auf den Tisch. In der anschließenden offenen Analyse dieser Entscheidungen werden die persönlichen Beiträge zu den jeweiligen Entscheidungssituationen gesucht und die daraus folgenden Veränderungen für jeden einzelnen im Team sichtbar gemacht. Mit den persönlichen Veränderungen kann sofort begonnen werden. Um sicher zu gehen, dass die persönlichen Veränderungen umgesetzt werden, kann das Team zusätzliche, unterstützende Schritte untereinander vereinbaren.
Im zweiten Schritt folgt der Realitätscheck (2). Dazu werden die Termine und Ergebnisse wichtiger Umsetzungsprozesse der letzten sowie der kommenden sechs Monate auf unrealistische Annahmen hin überprüft. Meistens werden dabei auch persönliche Überzeugungen sichtbar, die sich hinderlich auswirken, bisher aber nicht hinterfragt wurden, da sie als allgemein anerkannt gelten. Dieses Vorgehen wirkt wie eine gedankliche Schlankheitskur und führt zu einer signifikanten Steigerung der Klarheit im Team der Unternehmensleitung.
Erst nach diesen beiden Schritten sind die Voraussetzungen geschaffen, um den dritten Schritt, die Fokussierung (3), anzugehen. Dabei erfolgt eine Reduktion der Unternehmensziele auf wenige, wichtige und konkrete Vorhaben, deren Erreichen für die Zukunft des Unternehmens essentiell ist. Symbolisch gesehen ändert sich damit die Funktion der Form einer Unternehmensspitze von einem Engpass zu einem Brennglas, mit dem die Aktivitäten im Unternehmen gebündelt und ihre Wirkung verstärkt wird.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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